Absatz 2 ist weitgehend unverändert. Die Bindung an die Heilige Schrift und an die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche steht nicht zur Diskussion (siehe auch Artikel 6 Absatz 3). Die „Bekenntnisschriften“ meinen dabei die im Jahr 1580 im Konkordienbuch veröffentlichten und zuletzt im Jahr 2014 von Irene Dingel im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) herausgegebenen Schriften der Alten Kirche und der Reformationszeit. Dabei ist unbenommen, dass innerhalb dieser Sammlung neben den altkirchlichen Bekenntnissen einzelne Schriften, insbesondere das Augsburger Bekenntnis aus dem Jahr 1530 und der Kleine und der Große Katechismus Luthers eine besondere Bedeutung für das Leben der Kirche besitzen. Die Frage nach der Bedeutung der Bekenntnisse für die konkrete Gestaltung des Lebens der Kirche bedarf immer wieder neu der Diskussion und bekenntnishermeneutischen Reflexion.
Neu ist der Bezug auf die Barmer Theologische Erklärung von 1934. Diese Entscheidung wurde im Stellungnahmeverfahren nahezu durchgehend begrüßt. Die Landeskirche folgt damit der großen Mehrzahl der Landeskirchen im Bereich der EKD, die einen Bezug auf Barmen bereits in ihren Verfassungen oder Grundordnungen verankert haben. Wegweisend dazu war zuletzt eine Debatte im Vorfeld der Entstehung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und ihrer Verfassung sowie in jüngster Zeit ein längerer Diskussionsprozess in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Auch die hannoversche Landessynode hat im Juni 2015 in der Evangelischen Akademie Loccum eine Tagung zur Barmer Theologischen Erklärung durchgeführt. Als Ergebnis kann insgesamt gelten, dass die Barmer Theologische Erklärung als lutherisches Bekenntnis zu interpretieren ist. Darüber wurde gezeigt, dass die Erklärung nicht nur eine überragende zeitgeschichtliche Rolle während des Dritten Reiches spielte, sondern dass ihr eine bleibend normative Bedeutung zukommt, weil sie „unverzichtbare Klärungen … für die Lehre und das Leben der Kirche“ vornimmt im Widerstreit der Kirche gegen alle „säkularen, religionsförmigen Totalitarismen“ (Notger Slenczka, Die Vereinbarkeit der Barmer Theologischen Erklärung mit Grundüberzeugungen der Lutherischen Kirche und Theologie, in: Kerygma und Dogma 57 [2011], S. 346-259). Damit hat die Barmer Theologische Erklärung hier eine bleibende, normsetzende Bedeutung. Zentrale Aussagen der Erklärung gelten heute als grundlegender Konsens im Blick auf das Verständnis der Kirche, etwa die Überzeugung, dass die Kirche „auch durch ihre Ordnung“ das Evangelium zu bezeugen hat (These III; siehe dazu auch die Erläuterungen zu Artikel 6).
Aus diesem Grund soll die Barmer Theologische Erklärung unter die erweiterten Bekenntnisgrundlagen der Landeskirche aufgenommen werden. Es wird nach Prüfung aller in den Gliedkirchen der EKD verwandten Formulierungen eine an die Präambel der Verfassung der Nordkirche angelehnte Formulierung vorgeschlagen. Dabei ist die Erklärung nach dem Beschluss der Barmer Synode von 1934 im Sinne der Auslegung durch eine Rede von Herrn Hans Asmussen und unter deren Einschluss zu verstehen (www.ekd.de/glauben/grundlagen/einbringungsreferat_asmussens.html). Zugleich ist sie nicht den Bekenntnisschriften des 16. Jahrhunderts gleichgestellt. Diese Bekenntnisschriften bilden vielmehr den Interpretationsrahmen auch für die Barmer Theologische Erklärung. Um die „Hierarchie der Auslegung“ – so die Stellungnahme der VELKD (die Heilige Schrift als grundlegende Norm – Bekenntnisschriften – Barmer Theologische Erklärung) – deutlicher zu machen, wurde gegenüber der geltenden Verfassung im Satz über die Lutherischen Bekenntnisschriften das Wort „maßgebend“ hinzugefügt. Zusätzlich wurden aus demselben Grund gegenüber dem ersten Entwurf die Verben ausgetauscht: Statt „… in den Bekenntnisschriften … bezeugt und … in der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen bekannt“ heißt es jetzt sachgemäßer: „wie es in den Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche maßgebend bekannt und wie es aufs Neue in der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen bezeugt worden ist.“ Mit der Formulierung „wie … bekannt … und … bezeugt worden ist“ ist dabei ausdrücklich nicht gemeint, dass die Heilige Schrift an der Auslegung in den Bekenntnisschriften oder an der Barmer Theologischen Erklärung zu messen sei, sondern umgekehrt, dass diese Texte im Licht der Heiligen Schrift auszulegen und ihr nachgeordnet sind.
In einigen Stellungnahmen wurde alternativ die Formulierung vorgeschlagen: „Die Landeskirche bejaht die Einsichten der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen für Lehre und Leben der Kirche“. Diese Formulierung, die sich mit dem Wort „bejaht“ an andere Kirchenverfassungen und die Grundordnung der EKD anlehnt, wurde bei der Auswertungstagung und im Verfassungsausschuss intensiv diskutiert. Der Verfassungsausschuss sieht aber in der Formulierung „bejaht die Einsichten“ eine etwas stärkere Distanzierung vom Text der Barmer Theologischen Erklärung und hält darum an der modifizierten bisherigen Formulierung fest.