Artikel 28 | Verwaltungsaufgaben

(1) 1Die Kirchengemeinde wird bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch das zuständige Kirchenamt unterstützt. 2Sie kann das Kirchenamt mit der abschließenden Erledigung von Geschäften der laufenden Verwaltung beauftragen.

(2) 1Durch Kirchengesetz oder aufgrund eines Kirchengesetzes kann die Kirchengemeinde verpflichtet werden, für bestimmte Leistungen die Unterstützung des Kirchenamtes in Anspruch zu nehmen. 2Das Kirchenamt ist verpflichtet, diese Leistungen zu erbringen.

Erläuterungen zu Artikel 28

Artikel 28 regelt die verschiedenen Formen der Unterstützung von Kirchengemeinden durch das zuständige Kirchenamt. Die Bestimmung ist in dieser Form neu. Wegen der praktischen Bedeutung, die die Unterstützung durch das zuständige Kirchenamt für die Arbeit eines Kirchenvorstandes besitzt, erscheint es aber wichtig, Grundaussagen zu dieser Unterstützung in die Verfassung aufzunehmen.

Absatz 1 beschreibt zum einen die bisher übliche Form der Unterstützung in Verwaltungsaufgaben, wie sie in § 64 der KGO näher geregelt wird. Zum anderen sieht sie die Möglichkeit vor, das Kirchenamt mit der abschließenden Erledigung von Geschäften der laufenden Verwaltung zu beauftragen. Geschäfte der laufenden Verwaltung umfassen Aufgaben des Verwaltungsvollzugs, regelmäßig wiederkehrende Rechtsgeschäfte und sonstige Vorgänge, die sachlich und finanziell nicht von grundsätzlicher Bedeutung sind (vgl. § 50a Absatz 1 KGO). Im Rahmen der Verpachtung des Grundbesitzes kann der Kirchenvorstand z. B. das Kirchenamt mit der Ausfertigung und der Unterzeichnung des Pachtvertrages beauftragen, nachdem er den Pächter ausgewählt und die Höhe der Pacht festgelegt hat.

Absatz 2 eröffnet die Möglichkeit, die Kirchengemeinde zur Inanspruchnahme bestimmter, in der Regel in einem Leistungskatalog definierter Verwaltungsleistungen des Kirchenamtes zu verpflichten. Im Gegenzug muss das Kirchenamt diese Leistungen dann auch tatsächlich erbringen. Ein solcher sog. Anschluss- und Benutzungszwang ist nach der Rechtsprechung der Kirchengerichte zulässig. Er bedarf aber einer ausdrücklichen Ermächtigung durch ein Kirchengesetz, das ggf. durch eine Rechtsverordnung („aufgrund eines Gesetzes“) näher ausgeführt wird. Die Nordkirche hat ein solches Gesetz im Jahr 2016 erlassen und die Verfassung der Landeskirche um einen entsprechenden Artikel ergänzt.

Die Möglichkeit eines Anschluss- und Benutzungszwangs soll die Kirchengemeinde nicht in ihren Rechten beschränken. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass für die betroffenen Leistungen des Kirchenamtes insbesondere auch nach der Reform des Umsatzsteuerrechts zum 1. Januar 2021 keine Umsatzsteuer anfällt. Denn gesetzlich angeordnete Unterstützungsleistungen einer kirchlichen Körperschaft (hier also des Kirchenkreises oder Kirchenkreisverbandes, der Träger des Kirchenamtes ist) für eine andere Körperschaft lösen keine Umsatzsteuerpflicht aus.

Die Ermächtigung zur Regelung eines Anschluss- und Benutzungszwangs wurde sowohl im Stellungnahmeverfahren als auch bei der Auswertungstagung als zu weitreichender Eingriff in die Autonomie einer Kirchengemeinde kritisiert. Der Verfassungsausschuss hält den Anschluss- und Benutzungszwang jedoch aus folgenden Gründen für vertretbar:

Durch den Anschluss- und Benutzungszwang wird einer Kirchengemeinde nicht die Wahrnehmung einer Aufgabe, sondern nur deren administrativ-technische Umsetzung entzogen. Der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht einer Kirchengemeinde ist also begrenzt und betrifft gerade nicht dessen Kernbereich.
Vor diesem Hintergrund wäre es nicht zu verantworten, wenn für alle Dienstleistungen des Kirchenamtes, in denen eine Verwaltungskostenumlage zu zahlen ist, künftig Umsatzsteuer anfallen würde.
Für Kassengeschäfte besteht nach § 61 KGO bereits jetzt ein Anschluss- und Be-nutzungszwang.
In anderen klassischen, nicht durch Verwaltungskostenumlagen finanzierten Arbeitsbereichen der Kirchenämter (z. B. Haushaltsführung, Personalverwaltung und Gehaltsabrechnung) ist der Anschluss- und Benutzungszwang gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der VELKD durch das Ziel einer einheitlichen, professionellen und effizienten Erledigung von Verwaltungsaufgaben gerechtfertigt.
Die seit der Abfassung des ersten Entwurfs in Gesprächen mit der staatlichen Finanzverwaltung erfolgten Klärungen lassen erwarten, dass es zur Vermeidung einer Umsatzsteuerpflicht voraussichtlich erforderlich werden wird, neben den bereits genannten Arbeitsbereichen insbesondere in der Immobilien-, der Kindertagesstätten- und der Friedhofsverwaltung einen Anschluss- und Benutzungszwang vorzusehen. Daher erscheint es dem Verfassungsausschuss nicht mehr realistisch, in Absatz 2 von Leistungen „in einzelnen Verwaltungsbereichen“ zu sprechen.

Die übrigen Änderungen in Artikel 28 gegenüber dem ersten Entwurf sind redaktioneller Art.

Die übrigen Änderungen in Artikel 28 gegenüber dem ersten Entwurf sind redaktioneller Art.