Absatz 2 eröffnet die Möglichkeit, die Kirchengemeinde zur Inanspruchnahme bestimmter, in der Regel in einem Leistungskatalog definierter Verwaltungsleistungen des Kirchenamtes zu verpflichten. Im Gegenzug muss das Kirchenamt diese Leistungen dann auch tatsächlich erbringen. Ein solcher sog. Anschluss- und Benutzungszwang ist nach der Rechtsprechung der Kirchengerichte zulässig. Er bedarf aber einer ausdrücklichen Ermächtigung durch ein Kirchengesetz, das ggf. durch eine Rechtsverordnung („aufgrund eines Gesetzes“) näher ausgeführt wird. Die Nordkirche hat ein solches Gesetz im Jahr 2016 erlassen und die Verfassung der Landeskirche um einen entsprechenden Artikel ergänzt.
Die Möglichkeit eines Anschluss- und Benutzungszwangs soll die Kirchengemeinde nicht in ihren Rechten beschränken. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass für die betroffenen Leistungen des Kirchenamtes insbesondere auch nach der Reform des Umsatzsteuerrechts zum 1. Januar 2021 keine Umsatzsteuer anfällt. Denn gesetzlich angeordnete Unterstützungsleistungen einer kirchlichen Körperschaft (hier also des Kirchenkreises oder Kirchenkreisverbandes, der Träger des Kirchenamtes ist) für eine andere Körperschaft lösen keine Umsatzsteuerpflicht aus.
Die Ermächtigung zur Regelung eines Anschluss- und Benutzungszwangs wurde sowohl im Stellungnahmeverfahren als auch bei der Auswertungstagung als zu weitreichender Eingriff in die Autonomie einer Kirchengemeinde kritisiert. Der Verfassungsausschuss hält den Anschluss- und Benutzungszwang jedoch aus folgenden Gründen für vertretbar:
Durch den Anschluss- und Benutzungszwang wird einer Kirchengemeinde nicht die Wahrnehmung einer Aufgabe, sondern nur deren administrativ-technische Umsetzung entzogen. Der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht einer Kirchengemeinde ist also begrenzt und betrifft gerade nicht dessen Kernbereich.
Vor diesem Hintergrund wäre es nicht zu verantworten, wenn für alle Dienstleistungen des Kirchenamtes, in denen eine Verwaltungskostenumlage zu zahlen ist, künftig Umsatzsteuer anfallen würde.
Für Kassengeschäfte besteht nach § 61 KGO bereits jetzt ein Anschluss- und Be-nutzungszwang.
In anderen klassischen, nicht durch Verwaltungskostenumlagen finanzierten Arbeitsbereichen der Kirchenämter (z. B. Haushaltsführung, Personalverwaltung und Gehaltsabrechnung) ist der Anschluss- und Benutzungszwang gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der VELKD durch das Ziel einer einheitlichen, professionellen und effizienten Erledigung von Verwaltungsaufgaben gerechtfertigt.
Die seit der Abfassung des ersten Entwurfs in Gesprächen mit der staatlichen Finanzverwaltung erfolgten Klärungen lassen erwarten, dass es zur Vermeidung einer Umsatzsteuerpflicht voraussichtlich erforderlich werden wird, neben den bereits genannten Arbeitsbereichen insbesondere in der Immobilien-, der Kindertagesstätten- und der Friedhofsverwaltung einen Anschluss- und Benutzungszwang vorzusehen. Daher erscheint es dem Verfassungsausschuss nicht mehr realistisch, in Absatz 2 von Leistungen „in einzelnen Verwaltungsbereichen“ zu sprechen.
Die übrigen Änderungen in Artikel 28 gegenüber dem ersten Entwurf sind redaktioneller Art.