Absatz 2 und Absatz 3 beschreiben die unterschiedlichen Profile von Orts- und Personalgemeinde. Die Ortsgemeinde, die nach wie vor den Regelfall darstellt, wird durch den Wohnsitz bestimmt. Mit dem Wohnsitz ist für lutherische Kirchenmitglieder an einem Ort im Bereich der Landeskirche automatisch die Mitgliedschaft in einer bestimmten Kirchengemeinde verbunden, sofern nicht die Mitgliedschaft in einer anderen Kirchengemeinde gemäß Artikel 7 Absatz 3 gewählt wird. Da die Mitgliedschaft in der Ortsgemeinde in der Regel nicht durch bewusste Wahl entsteht, ist der Ausdruck „Zusammenschluss“ gewählt.
Durch die Möglichkeit der Umpfarrung in eine andere Parochialgemeinde, die auch aus inhaltlichen Gründen – etwa wegen eines besonderen geistlichen Profils – erfolgen kann, sind die Grenzen zwischen Orts- und Personalgemeinde fließend. Die Basis einer Ortsgemeinde mit besonderem Profil bleibt jedoch immer noch das Parochialprinzip, auch wenn sie zusätzlich Züge einer Personalgemeinde annimmt.
Rechtlich verfasste Personalgemeinden, die unabhängig vom Wohnortprinzip sind, gibt es bisher noch relativ selten. Sie könnten in Zukunft aber an Bedeutung gewinnen. Die Verfassung bietet dafür jetzt eine gleichberechtigte Öffnung an. Als Beispiele werden Kirchengemeinden mit einem besonderen geistlichen Profil genannt, z. B. mit einer besonderen missionarischen oder spirituellen Ausrichtung. Auch Landeskirchliche Gemeinschaften könnten – sofern dies von den Gemeinschaftsverbänden gewünscht wird – in Zukunft den Charakter von Personalgemeinden erhalten. Unabhängig davon sind die Landeskirchlichen Gemeinschaften jetzt in Artikel 64 ausdrücklich genannt. Möglich ist die Bildung einer Personalgemeinde darüber hinaus nach bestimmten lebensweltlichen Bezügen, etwa bei einer Hochschulgemeinde, aber auch bei einer Gemeinde besonders unter Migrantinnen und Migranten. Einen Sonderfall solcher lebensweltlichen Bezüge bilden Kirchengemeinden, die „an eine diakonische oder andere Einrichtung“ angebunden sind. Denkbar sind also z. B. auch Kirchengemeinden, die an ein Kloster oder an eine kirchliche Bildungseinrichtung angebunden sind. Dieses Kriterium eröffnet darüber hinaus den bisherigen Anstaltsgemeinden (dieser Ausdruck entfällt) die Möglichkeit, sich als Personalgemeinden zu konstituieren und den Kreis ihrer Mitglieder z. B. um Freunde und Förderer der Einrichtung oder im Rahmen einer Quartiersentwicklung um Kirchenmitglieder in der räumlichen Umgebung einer Einrichtung zu erweitern. Ob der kirchliche Dienst an einer diakonischen Einrichtung die Form einer Personalgemeinde haben soll oder nicht, kann durch die dort Verantwortlichen entschieden werden.
Wegen des besonderen Profils einer Personalgemeinde können Abweichungen von der normalen Organstruktur einer Kirchengemeinde erforderlich werden, die sich am Regelfall der Ortsgemeinde orientiert. Absatz 3 Satz 3 eröffnet die Möglichkeit, im Rahmen der KGO oder eines anderen Kirchengesetzes entsprechende Regelungen zu treffen. Dort ließen sich dann auch Fragen der Finanzierung, der Aufsicht und der weiteren Einbindung in die kirchlichen Strukturen regeln.
Im Stellungnahmeverfahren ist über die generelle Diskussion einer Öffnung der Begriffe „Gemeinde“ bzw. „Formen kirchlichen Lebens“ hinaus (s. dazu Artikel 3) immer wieder nach Kriterien und Konsequenzen der Bildung von Personalgemeinden gefragt worden, etwa nach rechtlichen Regelungen, nach der Aufsicht, insbesondere auch nach der Finanzierung und nach sich möglicherweise daraus ergebenden Konkurrenzen zur Ortsgemeinde. Der Verfassungsausschuss sieht aber bewusst davon ab, solche weitergehenden Regelungen vorzuschlagen. Artikel 3 und 19 wollen die Tür für Entwicklungen in der Zukunft öffnen. Diese Entwicklungen sind dann zu gegebener Zeit entsprechend auszugestalten. Das gilt für nähere, auf einfachgesetzlicher Ebene zu regelnde rechtliche Fragen ebenso wie für die Frage der Ressourcen. Aufgrund der Hinweise im Stellungnahmeverfahren erschien es aber sinnvoll, die wichtigsten Voraussetzungen für die Bildung einer Personalgemeinde auch in der Verfassung zu benennen. Die Formulierung „wenn aufgrund der Zahl ihrer Mitglieder und der Gestaltung ihrer Arbeit auf Dauer ein eigenständiges Gemeindeleben zu erwarten ist“ lehnt sich an Artikel 137 Absatz 5 der WRV an, wo die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft benannt werden. In Analogie dazu wird klargestellt, dass eine Gemeinschaft als rechtlich verfasste Kirchengemeinde anerkannt werden kann, wenn es sich nicht nur um eine kurzfristige oder kleine Ansammlung von Menschen oder um die Sammlung um eine charismatische Persönlichkeit herum handelt, sondern wenn durch die zeitliche Perspektive etwa über eine Generation hinweg, die Zahl der Mitglieder und die konzeptionelle Ausrichtung der Arbeit eine dauerhafte Existenz als Kirchengemeinde sinnvoll erwartet werden kann. Als Vorbild wurde auch § 6 Absatz 1 der KGO der Nordkirche mit herangezogen.