Artikel 21 | Errichtung und Aufhebung

1Kirchengemeinden werden auf Antrag oder nach Beteiligung der betroffenen Kirchengemeinden und Kirchenkreise durch das Landeskirchenamt errichtet, aufgehoben, zusammengelegt oder anders begrenzt. 2Die Beteiligten können gegen die Entscheidung des Landeskirchenamtes Widerspruch einlegen. 3Eine Ablehnung des Widerspruchs bedarf der Zustimmung des Landessynodalausschusses.

Begründung zu Artikel 21

Artikel 21 bestimmt, dass die Organisationshoheit für die Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Kirchengemeinden beim Landeskirchenamt liegt. Die Zuständigkeit des Landeskirchenamtes soll sicherstellen, dass Organisationsentscheidungen durch eine neutrale Stelle getroffen werden. Außerdem wird dadurch berücksichtigt, dass das Landeskirchenamt nach Artikel 11 Absatz 1 des Loccumer Vertrages gegenüber dem Land Niedersachsen die Verantwortung für den Bestand eines kirchlichen Rechtssubjekts wahrzunehmen hat.

Bereits die im ersten Entwurf vorgeschlagene, am Text der bisherigen Verfassung orientierte Formulierung ging davon aus, dass Organisationsentscheidungen des Landeskirchenamtes am Ende eines oft langen, örtlich verantworteten und gestalteten Prozesses stehen, der häufig durch die landeskirchliche Gemeindeberatung oder andere Stellen begleitet wird. Gleichwohl wurde der Vorschlag des ersten Entwurfs sowohl im Stellungnahmeverfahren als auch bei der Auswertungstagung vielfach als „Durchgriff von oben“ wahrgenommen. Diese Kritik wurde mit der Forderung verbunden, zumindest ein Widerspruchsrecht der betroffenen Kirchengemeinden und Kirchenkreise vorzusehen und die Entscheidung über den Widerspruch einer Appellationsinstanz zu übertragen, wie sie nach Artikel 28 Satz 2 der bisherigen Verfassung der Kirchensenat darstellt.

Die neu vorgeschlagene Formulierung, die auf die Diskussionen bei der Auswertungstagung zurückgeht, nimmt diese Kritik auf. Der Begriff „Beteiligung“ soll den von einer Organisationsentscheidung betroffenen Kirchengemeinden und Kirchenkreisen eigene, über eine bloße Anhörung hinausgehende Verfahrensrechte einräumen, wie sie in § 6 des Verwaltungsverfahrens- und -zustellungsgesetzes der EKD (VVZG-EKD) näher beschrieben werden. Ausführlichere Formulierungen, die noch stärker die örtliche Verantwortung für die einer Organisationsentscheidung vorausgehenden Prozesse betonen, hat der Verfassungsausschuss erörtert, im Ergebnis aber verworfen. Für einen Rechtstext, wie ihn die Verfassung darstellt, reicht die vorgeschlagene Formulierung aus der Sicht des Verfassungsausschusses aus. Die Vielfalt der Prozesse, die einer Errichtung, Aufhebung oder Veränderung von Kirchengemeinden vorausgehen, soll dadurch nicht beschränkt werden.

Die Organisationsentscheidungen des Landeskirchenamtes sind rechtlich als Verwaltungsakte zu qualifizieren, gegen die nach den Bestimmungen der Rechtshofordnung (ReHO) wie bisher sowohl ein Widerspruch (§ 51 ReHO) als auch eine Klage vor dem Rechtshof der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen (§ 12 Absatz 1 Buchstabe a ReHO) zulässig ist. Mit Rücksicht auf die Kritik am ersten Entwurf schlägt der Verfassungsausschuss jedoch vor, das Widerspruchsrecht auch auf verfassungsrechtlicher Ebene abzusichern. Über einen Widerspruch hat nach der ReHO das Landeskirchenamt als oberste kirchliche Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Um den Wunsch nach einer Appellationsinstanz aufzugreifen, schlägt der Verfassungsausschuss vor, die Ablehnung eines Widerspruchs von der Zustimmung des Landessynodalausschusses abhängig zu machen. Eine solche Regelung entspricht verschiedenen Bestimmungen in der KGO, die gravierende Entscheidungen im Rahmen der landeskirchlichen Aufsicht ebenfalls von einer Zustimmung des Landessynodalausschusses abhängig machen.

Insbesondere bei der Auswertungstagung wurde auch der Wunsch geäußert, Organisationsentscheidungen generell von einer Zustimmung der Betroffenen abhängig zu machen. Eine solche Regelung hält der Verfassungsausschuss nicht für angezeigt. Denn sie hätte zur Folge, dass eine einzelne Kirchengemeinde Entscheidungen auch dann blockieren könnte, wenn sie von einer breiten Mehrheit der Beteiligten gewollt werden.