Artikel 01 | Auftrag der Kirche

(1) 1Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers mit allen ihren Mitgliedern und Mitarbeitenden in den Kirchengemeinden und weiteren Körperschaften, Einrichtungen und anderen Formen kirchlichen Lebens trägt Verantwortung für die Erhaltung und Förderung der Verkündigung des Wortes Gottes und der Feier der Sakramente gemäß dem Evangelium. 2Durch das Evangelium ist sie berufen zum öffentlichen Zeugnis, zum Dienst der Nächstenliebe und zur Gemeinschaft der Kirche.

(2) Das Evangelium wird verkündigt und bezeugt vor allem durch Gottesdienst, Gebet, Kirchenmusik, Mission, Seelsorge, Diakonie, Bildung und Kunst sowie durch die Wahrnehmung der kirchlichen Mitverantwortung für Gesellschaft und öffentliches Leben.

(3) Verkündigung, Zeugnis und Dienst erfolgen in Gemeinschaft mit anderen christlichen Kirchen und im Zeichen der Treue Gottes zum jüdischen Volk.

Erläuterungen zu Artikel 1

Der Artikel formuliert grundlegend den Auftrag der Kirche.

In Absatz 1 wird weiterhin die gemeinsame Verantwortung aller Mitglieder und Mitarbeitenden in der Landeskirche für die Verkündigung des Wortes Gottes und die stiftungsgemäße Darreichung der Sakramente herausgestellt. Diese Formulierung nimmt Artikel 7 des Augsburger Bekenntnisses (CA 7) auf und bezeichnet grundlegend das, was Kirche zur Kirche macht. Schriftgemäße Verkündigung und Sakramentsdarreichung sind nach lutherischem Verständnis die entscheidenden Kennzeichen der Kirche.

Der Absatz wurde gegenüber der Verfassung von 1965 sprachlich verändert, bleibt inhaltlich aber im Wesentlichen gleich.

Im Stellungnahmeverfahren wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „Landeskirche“ im ersten Entwurf eine doppelte Bedeutung hatte. Er konnte einerseits das Ganze der Landeskirche mit allen Personen und Organisationsformen bezeichnen, andererseits dezidiert die Handlungsebene der Landeskirche im Gegenüber zu Kirchengemeinde und Kirchenkreis. Um hier mehr Klarheit zu schaffen, wird jetzt – dem Beispiel anderer Kirchenverfassungen folgend – in der Verfassung durchgehend der vollständige Name „Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers“ gebraucht, wenn das Ganze der Landeskirche gemeint ist. Wenn die einzelne Handlungsebene benannt werden soll, ist nur von „Landeskirche“ die Rede. Wenn allerdings innerhalb eines Artikels der Verfassung mehrmals von dem Ganzen der Landeskirche die Rede ist, wird nur beim ersten Mal der vollständige Name „Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers“ gebraucht, im Weiteren um der besseren Lesbarkeit willen nur der Begriff „Landeskirche“.

In Artikel 1 ist das Ganze der Landeskirche im Blick. Im ersten Verfassungsentwurf war gegenüber der früheren Zusammenstellung „die Landeskirche und die Kirchengemeinden mit allen ihren Gliedern, Amtsträgern und Organen“ nur noch „die Landeskirche mit allen ihren Mitgliedern und Mitarbeitenden“ als Subjekt benannt worden. Daran wurde im Stellungnahmeverfahren vielfältig Kritik geübt, insbesondere, weil die Nennung der Kirchengemeinden in diesem grundlegenden Artikel zum Auftrag der Kirche als essenziell angesehen wurde. Daher werden die Kirchengemeinden nun ausdrücklich und an erster Stelle genannt. Um das gesamte Spektrum der Sozialformen, „in“ denen kirchliches Leben – so die bewusste Formulierung von Artikel 3 Absatz 1 – geschieht, bereits an dieser Stelle zu benennen, werden auch die „weiteren Körperschaften, Einrichtungen und anderen Formen kirchlichen Lebens“ aufgeführt. Das einschränkende und etwas unklare Wort „Amtsträger“ aus der früheren Kirchenverfassung wird durch die Formulierung „Mitarbeitende“ ersetzt.

An Stelle der sehr traditionellen Formulierung: „rechte Verkündigung des Wortes Gottes und stiftungsgemäße Darreichung der Sakramente“ lautet die Formulierung nun einfacher und zeitgemäßer: „Verkündigung des Wortes Gottes und Feier der Sakramente gemäß dem Evangelium.“ Eine inhaltliche Veränderung ist damit ausdrücklich nicht gemeint.

Hinzugefügt wurde auf der Basis einer Anregung des Ausschusses für Theologie und Kirche der Landessynode gegenüber dem ersten Entwurf der Satz: „Durch das Evangelium ist sie berufen zum öffentlichen Zeugnis, zur tätigen Nächstenliebe und zur Gemeinschaft der Kirche.“ Damit werden die Grunddimensionen des Auftrages der Kirche aufgenommen. Nachdem im Satz zuvor vom Gottesdienst (Leiturgia) die Rede war, werden jetzt auch Zeugnis (Martyria), Nächstenliebe (Diakonia) und Gemeinschaft (Koinonia) genannt. Der Ausdruck „Gemeinschaft der Kirche“ ist dabei bewusst offen gewählt und meint die Pflege und Förderung der Gemeinschaft auf allen Ebenen von der einzelnen Gruppe in einer Kirchengemeinde bis hin zur Pflege der universalen Gemeinschaft der weltweiten Kirche. Aufgrund dieses Satzes sind im folgenden Satz 1 von Absatz 2 gegenüber dem ersten Entwurf die Worte „in Wort und Tat“ über die Verkündigung des Evangeliums entfallen, da sie inhaltlich in dem neuen Satz enthalten sind.

Absatz 2 Satz 1 wurde in Anlehnung an Artikel 1 Absatz 5 der Verfassung der Nordkirche neu formuliert an Stelle der etwas veraltet klingenden, aus heutiger Sicht aber auch nicht mehr vollständigen Formulierung in der bisherigen Verfassung: „Diese Verantwortung verpflichtet zum Zeugnis in der Öffentlichkeit, zur Wahrnehmung des Missionsauftrages der Christenheit in aller Welt und zum Dienst der helfenden Liebe.“ Die neue Formulierung versucht, in einem Satz alle wichtigen Dimensionen kirchlichen Handelns zu benennen und so den differenzierten Auftrag der Kirche zu beschreiben, wie er sich aus dem in Absatz 1 genannten einen Wort Gottes ergibt. Die wichtige Zusammenstellung von „Zeugnis, Mission und Dienst“ bleibt in Satz 2 erhalten.

Satz 2 über „Zeugnis, Mission und Dienst in Gemeinschaft mit anderen christlichen Kirchen und im Zeichen der Treue Gottes zum jüdischen Volk“ wurde unverändert übernommen aus der geltenden Kirchenverfassung. Dieser Satz wurde erst im November 2013 nach einem ausführlichen Diskussionsprozess zum Verhältnis von Christen und Juden in einem Sonderausschuss der Landeskirche und in der Landessynode in die Verfassung aufgenommen.

Ergänzungen auf Grundlage des Berichts des Verfassungsausschusses von April 2019 | Artikel 1

Zu Absatz 1 Satz 2 hat der Ausschuss für Theologie und Kirche vorgeschlagen, statt von „tätiger Nächstenliebe“ besser vom „Dienst der Nächstenliebe“ zu sprechen, um so das bewusste Nebeneinander von Zeugnis, Dienst und Gemeinschaft (Martyria, Diakonia, Koinonia) besser zum Ausdruck zu bringen. Der Satz über den Auftrag der Kirche solle deshalb lauten: „Durch das Evangelium ist sie berufen zum öffentlichen Zeugnis, zum Dienst der Nächstenliebe und zur Gemeinschaft der Kirche.“ Den Verfassungsausschuss hat diese Anregung überzeugt; er hat sie aufgegriffen.

Zu Absatz 2 hat der Ausschuss für Theologie und Kirche angeregt, den Beginn von Satz 2 zu ändern. Er lautete bisher: „Zeugnis, Mission und Dienst erfolgen in Gemeinschaft mit anderen christlichen Kirchen und im Zeichen der Treue Gottes zum jüdischen Volk.“ Die Aufzählung „Zeugnis, Mission und Dienst“ nehme aber mit „Mission“ nur eine der im vorhergehenden Satz genannten Aufgaben der Kirche („Gottesdienst, Gebet, Kirchenmusik, Mission, Seelsorge, Diakonie, Bildung und Kunst …“) auf. Deshalb solle auf den Begriff „Mission“ an dieser Stelle verzichtet werden. Der Verfassungsausschuss hat sich dem Vorschlag angeschlossen. Den bisherigen Satz hatte der Verfassungsausschuss bewusst aus den im Jahr 2013 in die damalige Kirchenverfassung einfügten Ergänzungen wörtlich übernommen. Der Anfang dieses Satzes war im Jahr 2013 aber deshalb so formuliert worden, weil in der alten Verfassung genau diese dreifache Aufzählung – Zeugnis, Mission und Dienst – auch im vorhergehenden Satz stand („Zeugnis in der Öffentlichkeit“, „Wahrnehmung des Missionsauftrages der Christenheit in aller Welt“ und „Dienst der helfenden Liebe“). Nachdem der vorhergehende Satz zugunsten der ausführlicheren Aufzählung zentraler Aufgaben der Kirche geändert wurde und dort der Auftrag der „Mission“ ausdrücklich genannt ist, ist es folgerichtig, den Beginn von Satz 2 zu ändern. Er entspricht nach dem Vorschlag des Verfassungsausschusses nun der sonst in der neuen Verfassung verwendeten Begrifflichkeit „Verkündigung, Zeugnis und Dienst“.

Ebenfalls einem Vorschlag des Ausschusses für Theologie und Kirche folgend soll der Satz jetzt nicht mehr direkt an den vorhergehenden Satz anschließen, sondern einen neuen Absatz 3 bilden. Denn der Inhalt dieses Satzes bezieht sich nicht nur auf den vorhergehenden Satz, sondern auf die gesamten Aussagen von Absatz 1 und 2 zum Auftrag der Kirche. Der Satz lautet als neuer Absatz 3 nun also: „(3) Verkündigung, Zeugnis und Dienst erfolgen in Gemeinschaft mit anderen christlichen Kirchen und im Zeichen der Treue Gottes zum jüdischen Volk.“